Die Megabit-Bombe

Die Megabit-Bombe (original: Bomba megabitowa) von Stanisław Lem ist eine Essaysammlung, die sich hauptsächlich mit dem Internet beschäftigt. Die einzelnen Texte erschienen in den Jahren 1996–1998 im polnischen Magazin PC Magazine po polsku. Die deutsche Übersetzung erschien 2003 im Verlag Heinz Heise.

In 32 Essays zeichnet Lem ein überwiegend düsteres Bild der gesellschaftlichen Auswirkungen insbesondere des Internets, weiter der Entwicklungen in Gentechnik, KI-Forschung und virtueller Realität. Lem nimmt in den Essays Bezug auf konkrete, aktuelle Technik, spannt mögliche Entwicklungslinien und Risiken auf und bezieht sich auf Prognosen seiner früheren Werke. Häufig sind die jeweils behandelten Themen der Anlass für eine rein gegenwartsbezogene Kultur- und Gesellschaftskritik.

Der Titel stammt aus der 1964 erschienenen Summa technologiae, in der Lem mit der „Megabit-Bombe“ insbesondere den exponentiell wachsenden Bestand an Daten und Information in den Wissenschaften bezeichnete. Diese Perspektive sei inzwischen als unvollständig zu betrachten, da diese Daten aus heutiger Perspektive als „quasi eingefrorene oder erstarrte Information“ zu betrachten sei, während die vom World Wide Web erzeugte Datenflut „Information in permanenter Bewegung“ sei. Insbesondere die Schwierigkeit des Scheidens von relevantem Wissen und Informationsmüll bewirke, dass trotz prinzipiell leichterer Zugänglichkeit von Information sich die Situation der „Wissensdurstigen“ nicht verbessern könne.

Inhalt

Lem bespricht in den einzelnen Essays in der Regel jeweils einen bis einige wenige Aspekte der Entwicklungen in der Informationsgesellschaft. Während im wenig später erschienenen Essayband Riskante Konzepte vor allem die bisherige Umsetzung und weitere Entwicklungsfähigkeit verschiedener technologischer Prognosen behandelt werden, nimmt Lem in der Megabit-Bombe häufig direkte Wertungen vor. Auch die Prognostik nimmt häufig den Charakter von „Schwarzmalerei und Zukunftspessimismus“ an, ein Urteil, das Lem selbst im Verlauf der Sammlung abgibt.[1]

Für das Internet bzw. das WWW (was Lem nicht präzise differenziert) befürchtet Lem so eine weitgehende kapitalistische Überformung und Ausrichtung an Profitinteressen, ebenso sagt er jedoch eine starke kulturimperialistische Komponente durch das Englische als Hauptsprache des Internets voraus sowie die Beschränkung der Nutzerschaft auf die Länder des reichen Nordens. Unter der Nutzung des Internets durch Privatpersonen wird in den verschiedenen Essays in erster Linie vergleichsweise primitive Unterhaltung verstanden, insbesondere das Genre der Internetspiele (Lems Beschreibung nach MMORGs) werden praktisch ausschließlich als Eskapismus gedeutet.

In Bezug auf Hacking, Cyber- und Informationskriegführung sind Lems Befürchtungen hingegen eingetreten: In verschiedenen Essays nimmt er Konzepte wie Fake News, DDoS-Angriffe oder Cyberattacken vorweg und benennt Probleme der Attribution solcher Angriffe.

Problemstellungen in Bezug auf Bewusstsein und künstliche Intelligenz betrachtet Lem in mehreren Essays mit ebenfalls pessimistischem Grundton. Probleme sieht er in der grundsätzlichen Verschiedenheit der bisherigen Computertechnologie gegenüber der Entstehung menschlichen Bewusstseins durch Lernen und Prägung. Auch der von Lem als durchaus explosiv geschilderte Zuwachs an Rechnerleistung und Transistorendichte werde daran nichts ändern. Ein zweiter Hemmschuh sei die unklare kapitalistische Verwertbarkeit jeglicher „Intelligenzverstärker“, weshalb wachsende Rechenkapazitäten eher für Unterhaltungszwecke eingesetzt werden dürften. Diese These vertritt Lem teils vehement und beklagt, dass „...weder eine Simulation der Entstehung von Galaxien noch die Nachahmung der Wirbelstürme oder der geplanten Superwaffen“ die Ziele des kommenden Jahrtausend seien.

Kritik

Jürgen Kiontke attestiert dem Buch, es folge „üblichen Schwarzmalerphantasien“, und weist Fehler und Verkürzungen nach. Während Lems Verdienste um das SF-Genre außer Frage stehen, betreibe er in der Megabit-Bombe populistische Zivilisationskritik.[2]

Ausgaben

Erstausgabe: Die Megabit-Bombe. Essays zum Hyperspace. Verlag Heinz Heise, 2003. ISBN 3-936931-00-3

Einzelnachweise

  1. Stanisław Lem, Ryszard Krolicki, Stanisław Lem: Die Megabit-Bombe: Essays zum Hyperspace (= Telepolis). 1. Auflage. Heise, Hannover 2003, ISBN 978-3-936931-00-6, S. 128. 
  2. Jürgen Kiontke: Stanislaw Lem: Die Megabit-Bombe. Essays zum Hyperspace. 2004, doi:10.17192/EP2004.2.1851 (mediarep.org [PDF; abgerufen am 19. Juni 2023]). 
Werke von Stanisław Lem

Science-Fiction-Werke: 1946 Człowiek z Marsa (dt. Der Mensch vom Mars, 1989) | 1951 Astronauci (dt. Der Planet des Todes / Die Astronauten, 1954) | 1955 Obłok Magellana (dt. Gast im Weltraum, 1956) | 1957 Dzienniki gwiazdowe (dt. Sterntagebücher, 1961) | 1959 Eden (dt. Eden, 1960) | 1961 Solaris (dt. Solaris, 1972) | 1961 Pamiętnik znaleziony w wannie (dt. Memoiren, gefunden in der Badewanne, 1974) | 1961 Powrót z gwiazd (dt. Transfer / Rückkehr von den Sternen, 1974) | 1964 Niezwyciężony (dt. Der Unbesiegbare, 1967) | 1964 Bajki robotów (dt. Robotermärchen, 1969) | 1965 Cyberiada (dt. Kyberiade, 1983) | 1968 Opowieści o pilocie Pirxie (dt. Pilot Pirx, 1978) | 1968 Głos Pana (dt. Die Stimme des Herrn, 1981) | 1969 Opowiadania (dt. Nacht und Schimmel, 1972) | 1971 Kongres futurologiczny (dt. Der futurologische Kongreß, 1974) | 1976 Maska (dt. Die Maske, 1978) | 1981 Golem XIV (dt. Also sprach Golem, 1984) | 1982 Wizja Lokalna (dt. Lokaltermin, 1985) | 1986 Pokój na ziemi (dt. Der Flop / Frieden auf Erden, 1986) | 1987 Fiasko (dt. Fiasko, 1986) |

Verschiedene: 1951 Jacht „Paradise” (Theaterstück, mit Roman Hussarski) | 1955 Szpital przemienienia (dt. Die Irrungen des Dr. Stefan T. / Das Hospital der Verklärung, 1959) | 1957 Dialogi (dt. Dialoge, 1980) | 1959 Śledztwo (dt. Die Untersuchung, 1975) | 1964 Summa technologiae (dt. Summa technologiae, 1976) | 1968 Filozofia przypadku (dt. Philosophie des Zufalls, 1983 / 1985) | 1968 Wysoki Zamek (dt. Das Hohe Schloß, 1974) | 1970 Fantastyka i futurologia (dt. Phantastik und Futurologie, 1977 / 1980) | 1971 Doskonała próżnia (dt. Die vollkommene Leere, 1973; Das absolute Vakuum, 1984) | 1973 Wielkość urojona, (dt. Imaginäre Größe, 1976) | 1976 Katar(dt. Der Schnupfen 1976) | 1978 Rozprawy i szkice, (dt.  aufgeteilt auf Sade und die Spieltheorie, 1986; Über außersinnliche Wahrnehmung, 1987; Science-fiction: ein hoffnungsloser Fall mit Ausnahmen, 1987) | 1980 Prowokacja, (dt. Provokation, 1981) | 1983 One Human Minute, (dt. Eine Minute der Menschheit, 1983) | 1983 Weapon Systems of the 21st Century or the Upside Down Evolution, (dt. Waffensysteme des 21. Jahrhunderts, 1983) | 1983 The World as Holocaust, (dt. Das Katastrophenprinzip, 1983) | 1992 Die Vergangenheit der Zukunft | 1996 Tajemnica chińskiego pokoju, (dt. Die Technologiefalle, 2000) | 1999 Bomba megabitowa, (dt. Die Megabit-Bombe, 2003) | 2000 Okamgnienie, (dt. Riskante Konzepte, 2001) | 2003 DyLEMaty | 2006 Rasa drapieżców – Teksty ostatnie | 2009 Sknocony kryminał (posthum) |

Verfilmungen: 1960 Der schweigende Stern | 1963 Ikarie XB 1 | 1968 Solaris | 1972 Solaris | 1974 Die Untersuchung | 1978 Testflug zum Saturn | 2002 Solaris | 2007/2011 Ijon Tichy: Raumpilot

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